Das Lied vom braven Schächer

Nichts eignet sich besser zur Parodie als die Balladen von Schiller oder von anderen Klassikern der deutschen Sprache. So bleiben sie wenigstens im kulturellen Gedächtnis erhalten: ach, bin ich mal wieder optimistisch!

 

Ein Gesinnungsgenosse hat sich dieses Genres mit besonderem Eifer angenommen, Schachfreund Wieteck aus Andernach. Während das Original jedoch auf einer wahren Begebenheit beruht, ist das tragische Ende der Parodie nicht verbürgt. Mir oblag als gelerntem Schlosser nur noch das Anlegen der Feinschlichtfeile. Hier das Ergebnis:

 

Das Lied vom braven Schächer

- frei nach Helmut Wieteck -

- ganz frei nach Theodor Fontane -

 

 

 

John Player.

Wer ist John Player?

John Player war unser bester Mann.

Aushielt er, bis er die Krone gewann;

er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,

er starb am Brett, unsre Liebe sein Lohn,

John Player!

 

Die Mannschaft spielt in Dinkelsbühl,

sie kämpft mit Mut und Schachgefühl,

auch steht schon ein Spiel auf des Messers Schneide,

und mit hochrotem Kopf, dass die Null er vermeide,

tritt Theo an seinen Käpten heran:

„Was sollen wir machen, wie lange noch, Mann?!“

Und Player steht auf, blickt in die Runde:

„Noch 30 Minuten, 'ne halbe Stunde.“

 

Die Zeit rast viel zu schnell vorbei,

und der Kampf steht plötzlich drei zu drei.

Auch am vorletzten Brett wird nicht mehr geschrieben

und man einigt sich schnell auf ein Unentschieden.

Gebannt sich alle um Player ringen,

Brett eins muss wohl die Entscheidung bringen.

Und John kämpft beherzt, wie man kämpfen solle.

Nur noch 15 Minuten bis zur Zeitkontrolle!

 

Der Kampf wogt hin, der Kampf wogt her,

und die Männer fragen:“Wie steht’s; wie steht er?“

Sie umlagern im qualmgeschwängerten Raum

das Brett von John Player und atmen kaum.

Und John hebt die Hand -, ergreift er den Turm,

um loszubrechen den Angriffssturm?!

Doch fasst er den Springer und spricht die Worte

hier an diesem heiligen Orte :

„Ich opf’re das Ross!  Komme was wolle!“

Nur noch 10 Minuten bis zur Zeitkontrolle!

 

Und das Ross sich opfert, und so mancher Mann

sieht mit bangem Herzen den anderen an.

Doch John Player drängt mit mutiger Hand

einen weiteren Opferstein an den Rand.

Ein Bauer ist’s diesmal, der öffnet die Gasse,

auf das sich der Angriff vorantreiben lasse,

auf das auch der Turm nach vorne rolle.

Nur noch 5 Minuten bis zur Zeitkontrolle!

 

Nun folgen die Züge in fliegender Eile,

dass nur nicht die Hand am Brett verweile.

Und das Publikum flüstert mit dumpfen Gegrolle

„nur noch 10 Sekunden bis zur Zeitkontrolle“.

 

Da!  Das Blättchen fällt!

Um alles in der Welt!

Ist der letzte Zug auch ausgeführt?

Ein jeder seine Nerven jetzt spürt.

Er ist es! Gewonnen ist die Partie!

Und ein Jubel bricht los, ein Jubel wie nie.

Und man wendet sich John Player zu,

doch der sitzt versunken wie zur Ruh’.

Und man schüttelt ihn: “Retter aus tiefer Not!“

Doch John Player bleibt stumm; er ist bereits tot.

 

Den Sieg uns gerettet - er trägt die Kron’;

er starb für die Mannschaft, unsre Liebe sein Lohn.

Denn er starb wie ein Schächer sterben solle,

wenn möglich, erst nach der Zeitkontrolle!

 

H. Giering